Eine authentische Bewertung einer komplizierten Reform PSGII

DSC 0007 bearbeitet webIm Pflegebereich sammelt Yvonne Hepp seit Jahren Erfahrung: Erst als Krankenschwester, dann als Stationsleitung in Garmisch-Partenkirchen und seit 2016 als Heimleitung im Hammelburger Seniorenheim Dr.-Maria-Probst. Was sie allerdings noch nicht erlebt hat ist eine grundsätzliche Änderung in ihrer Branche – eine Reform der Pflege. Seit 01.01.2017 gilt hierzulande das Pflegestärkungsgesetz II.

In ihrer Funktion als verantwortliche Führungskraft in der Pflege möchten wir mit Frau Hepp über diese Reform sprechen

Frau Hepp, danke für Ihre Bereitschaft ein Interview zur Pflegereform zu führen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Änderungen im stationären Bereich?

Sicherlich zählen der einheitliche Beitrag des Selbstzahleranteils in den Pflegegraden 2-5, die erstmalige Anerkennung demenzieller Erkrankungen als Pflegebedürftigkeit und die erschwerte Personalbedarfsberechnung zu den wesentlichen Änderungen. Unterm Strich sind aus meiner Sicht die Pflegegrade 1 und 2 für Einrichtungen der stationären Pflege nicht mehr finanziell tragbar.

Was bedeutet das konkret für das Seniorenheim Dr.-Maria-Probst?

Im Endeffekt ist eine noch bessere & langfristigere Planung gefragt – und viel rechnen! Die Anforderungen an unsere Pflege sind noch vielschichtiger. Die Dokumentation ist in Dauer und Aufwand umfassender als bisher. Dies geht aus meiner Sicht zu Lasten der Zeit für das Wesentliche: Die direkte Pflege und der zwischenmenschliche Kontakt mit den Bewohnern.

Welche Auswirkungen hat die Reform auf die Pflegeleistungen in der Branche?

Ich stelle fest, dass sich der Bedarf in der stationären Pflege zunehmend verändert. Mit der Pflegereform hat jeder Patient nach einem Krankenhausaufenthalt den Anspruch auf Kurzzeitpflege.

Die Mehrheit der Bewohner kommt mittlerweile mit demenziellen Veränderungen zu uns. Gerade diese Menschen haben oft keinen Tag-Nacht-Rhythmus mehr. Hier kann die Nachtpflege Angehörige entlasten. Zudem nimmt die Anzahl derer die schwerstpflegebedürftig sind zu.

Auch in der Gruppe der Entscheider gibt es Veränderungen. Mittlerweile sind oft die Angehörigen unsere Vertragspartner.  Menschen kommen immer später im Leben in stationäre Einrichtungen. Dies ist die Folge der intensiven Förderung der ambulanten Pflege in der Pflegereform.

Frau Hepp, wer sind Ihrer Meinung nach die Gewinner der Reform?

Sicherlich sind die ambulanten Pflegedienste und die Tagespflegeeinrichtungen die Gewinner – trauriger Weise vielleicht sogar die einzigen dieser Pflegereform. Sie werden per Gesetz finanziell begünstigt und damit voraussichtlich einen Ansturm erleben.

Gibt es auch Verlierer der Pflegereform?

Die Verlierer sind leider die Bewohner und Angehörigen. Denn gerade die stationären Einrichtungen werden zukünftig ganz genau rechnen müssen. Pflegeheime werden nicht mehr Bewohner jeden Pflegegrades aufnehmen können.

Was ich besonders bedauere: Diese Pflegereform ist aufgrund ihrer Komplexität nicht gerade einfach zu verstehen. Das hat sicherlich eine schlechtere Aufklärung von Bewohnern und Angehörigen zu Folge. Genau da möchte ich ansetzen und konkret sowie individuell aufklären.

Die Pflegekräfte und Verantwortlichen in den Einrichtungen sehe ich jedoch genauso als Verlierer.

Ist demnach auch mit Änderungen bei den Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zu rechnen?

Dazu habe ich eine klare Meinung: Jemanden in den höchsten Pflegegrad - Pflegegrad 5 - zu bekommen ist quasi unmöglich. Ein Kriterium für die Einstufung in Pflegegrad 5 nennt sich „unselbständig“. Dieses Kriterium zu erreichen ist meiner Einschätzung nach lediglich Wachkomapatienten möglich. Die neu geschaffenen Module und die steuerbare Einordnung mancher Funktionen in mehr oder weniger gewichtende Module macht die Einstufung durch den MDK unkalkulierbar. Dies macht es den Angehörigen nahezu unmöglich das Ergebnis der Begutachtung nachzuvollziehen.

Was empfehlen Sie Menschen, die mit der Pflegereform 2017 in Berührung geraten?

Meine Empfehlung ist so klar wie einfach: Immer Hilfe holen!

Diese können Sie bei Pflegestützpunkten, wie beispielsweise die Fachstelle für pflegende Angehörige im Juliusspital in Münnerstadt, aber auch bei uns Heim- & Einrichtungsleitungen erfahren.

Bleibt zuletzt die Frage wie Sie im Seniorenheim Dr.-Maria-Probst auf die Pflegereform reagieren?

Unser großer Vorteil ist es eine Einrichtung der kreiseigenen Carl-von-Heß’schen Sozialstiftung zu sein. Wir sind nicht erstrangig gewinnorientiert ausgerichtet. Der Landkreis Bad Kissingen steht, angeführt durch Herrn Landrat Thomas Bold, wie ein Fels in der Brandung hinter uns. Das klingt etwas pathetisch macht allerdings im Alltag der Menschen einen bedeutenden Unterschied.

Was für mich ein großes Fragezeichen bleibt ist die Personalgewinnung. Die Bundesregierung hat eine Studie in Auftrag gegeben, welche sich mit der Einschätzung des vorhandenen Personalbedarfs pro Pflegegrad beschäftigt. Diese Studie soll 2020 zu einem Ergebnis kommen und darauf lege ich ein wenig meine Hoffnung. Mit einem Personalausgleich existieren wieder mehr Möglichkeiten zugunsten der Bewohner, aber auch der bestehenden Pflegekräfte.

Bis dahin bleiben wir aktiv: Wir bilden weiterhin Pflegefachkräfte, Pflegehelfer und Gerontopsychiatrische Fachkräfte aus und sind Partner der Zentralen Auslandsvermittlung im Projekt Triple Win.

Im Rahmen dieses Projektes kommen bereits seit 2015 überwiegend philippinische examinierte Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger in die Einrichtungen unseres Trägers der Carl-von-Heß’schen Sozialstiftung. Sie reisen mit viel Hoffnung im Gepäck und begegnen ebensolcher Hoffnung unsererseits. Wir helfen ihnen sich in Deutschland zurechtzufinden, bieten ihnen neue Heimat sowie Anschluss und begegnen dafür häufig gut ausgebildeten, unglaublich offenen, freundlichen, bereitwilligen und dankbaren Menschen – eben eine Win-Win-Situation.

So lange der Zustand bei der Gewinnung von Pflegepersonal in Deutschland derartig angespannt ist, ist das wie ich finde, eine sehr gute Option.

Zudem wird die Arbeitskraft der philippinischen Pflegekräfte nicht auf den normalen Stellenplan gerechnet. Ebenso wird mit der Leistung der hauswirtschaftlichen Kräfte verfahren. Das entspannt unsere Personalsituation, da wir dadurch im Vergleich zu Wettbewerbern tatsächlich mehr Personal haben.

Vielen Dank Frau Hepp für dieses sehr offen-ehrliche, aber auch kritische Gespräch zu den Chancen und Herausforderungen des Pflegestärkungsgesetztes II.

Sie interessieren sich für das Seniorenheim Dr.-Maria-Probst und möchten sich einen eigenen Eindruck verschaffen.

Dann vereinbaren Sie einen ganz unverbindlichen Besuchstermin mit Yvonne Hepp, Heimleitung des Seniorenheims Dr.-Maria-Probst in Hammelburg.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.dr-maria-probst.de und telefonisch unter (09732) 7886-0.

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Carl von Heß Sozialstiftung
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